* 8. Juni 1923
† 3. Februar 1993
von Herman Sabbe
Essay
Im Januar 1951 vollendete Goeyvaerts eine Sonate für zwei Klaviere – „Sonate“ im allgemeinsten, etymologischen Sinn. Indem er diese Arbeit als Nummer 1 bezeichnete, wollte er einen neuen Ansatz in seiner bereits mehrjährigen kompositorischen Tätigkeit zum Ausdruck bringen, die bis dahin im Zeichen des neoklassizistischen bzw. von Bartók inspirierten Stils gestanden hatte. Die Komposition zeigt Spuren des Übergangs, des Stilwechsels. Offensichtlich haben sich die Vorstellungen des Komponisten noch während der Arbeit gewandelt und allmählich neu fixiert. Die folgende Beschreibung bezieht sich vorwiegend auf die Mittelsätze des viersätzigen Werks, in denen die neue kompositorische Organisationsform am weitesten und folgerichtigsten durchgeführt wurde.
Das Tonmaterial ist „punktuell“ organisiert, d.h. jeder Ton wird als Entität gehandhabt. Auch die Parameter Dauer, Intensität und Anschlag sind systematisch differenziert. Jeder Ton wird, seiner Höhe nach, mit einem bestimmten Zeit-, Intensitäts- und Anschlagswert verknüpft. Diese Verknüpfung geschieht aufgrund einer numerischen Einrichtung: Jeder Parameterwert bekommt eine bestimmte Zahl. Die Verbindung der Werte der einzelnen Parameter zu einzelnen Ton-Entitäten gehorcht nun einer Regel, die Goeyvaerts mit dem Begriff der „synthetischen Zahl“ bezeichnet hat: Für einen jeden Ton soll die Summe der vier Parameterwerte immer gleich einer selben Zahl sein ...